Die Menschenrechtsbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof

Am 28. Dezember 2006 reichte Thomas Wüppesahl eine Menschenrechtsbeschwerde gegen die Verurteilung durch das Landgericht Hamburg beim Europäischen Gerichtshof ein.

Vier Jahre später wurde sie inhaltlich nicht behandelt, sondern wegen bestrittener Zulässigkeit abgewiesen.

Pressemitteilung zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Sonntag, 16. Januar 2011

Kürzlich jährte sich zum vierten Mal der Tag, an dem meine Menschenrechtsbeschwerde (MRB) beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht wurde. Wenige Tage zuvor war meinem Rechtsanwalt vom EGMR mitgeteilt worden, dass seine sorgfältig begründete 59-seitige Schrift nicht zur inhaltlichen Befassung zugelassen worden ist.

Jetzt bleibt mir nur noch der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim – wem, wohl? – Landgericht Hamburg, also dem Gericht, das mich zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt hatte. Die Chancen, ein Wiederaufnahmeverfahren erfolgreich zu bestehen, sind bekanntlich äußerst gering. Was meine Person anbetrifft, dürfte der Wahrscheinlichkeitsgrad im Nano-Bereich bewegen. Dazu erkläre ich:

„Das Fehlurteil des Landgericht Hamburg bleibt materiell unbearbeitet“ - Die angenommene Tatsachengrundlage bleibt von drei höheren Instanzen ungeprüft -

„Mit Zufriedenheit nehme ich zur Kenntnis, dass auch dieses Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Meine nunmehr rund dreißigjährigen Bemühungen, im Rahmen meines politischen Engagements in der Anti-AKW-Bewegung, beim Volkszählungsboykott, bei den Grünen, bei den Kritischen Polizisten usw. endlich einmal rechtskräftig verurteilt worden zu sein, finden dank der Entscheidung eines Einzelrichters am EGMR, die Zulässigkeit einer läppischen 59-seitigen Menschenrechtsbeschwerde, die von Belanglosigkeiten nur so strotzte, zu verneinen, ihre Bestätigung. Ein von Erfolg gekrönter Kampf! Für Einzelheiten siehe: Menschenrechtsbeschwerde.

Seit Ende der 70er Jahre betätige ich mich politisch und durchlebte bisher insgesamt über 40 Strafermittlungsverfahren. Zwei Mal bemühte sich mein Dienstherr gütlich, mich als Schadkörper aus den corpsgeistreichen Reihen der Hamburger Polizei unter anderem mittels Psychiatrisierungsversuche und vorzeitiger Pensionierung zu entfernen. Da ich ja seit 1971 Polizeivollzugsbeamter in Hamburg war, musste ich immer so tun als hätte ich die mir vorgeworfenen Delikte nicht begangen. Damit wollte ich meine Legende für meine Familie und mich – also ein Fall klassischer Schizophrenie – am Leben erhalten. Immer wieder fielen die Gerichte auf meine Ausreden herein, ebenso viele Journalisten. Sie glaubten mir einfach und waren dann „überzeugt“, dass ich unschuldig sei.

Es war für mich schwer zu ertragen: Freispruch auf Freispruch, Einstellung auf Einstellung sammelten sich. Viele unserer lieben Kriminellen klopften sich schon auf die Schenkel: „So ein Dämel!“ - „Bei der Schmiere und dann zu blöd ein richtiges Verbrechen hinzulegen!“ – „Saß im Deutschen Bundestag, und dann zu feige!“ und Ähnliches musste ich mir anhören.

Es lag wohl auch an den vorzüglichen Rechtsanwälten, dass ich nicht verurteilt worden war. Um meine vorgeblichen Bemühungen, nicht verurteilt zu werden, nach außen als Polizist besser vermitteln zu können, nahm ich nur die Besten der guten Rechtsanwälte.

Da, endlich, nach bereits fast 50 Lebensjahren und rund dreißigjähriger, ungeahndet gebliebener, krimineller Tätigkeit geriet ich an die Richtigen. Endlich nahmen sich Richter auf angemessene Weise meiner durchtriebenen Person an und erkannten mein wahres Ego. Die Sachverhaltslücken und mangelhaften Belegführungen in der von mir unvollständig gelieferten Tatbestandsaneinanderreihung zur Vollendung eines Verbrechens konnten diese wahren Leistungsträger der Hamburger Gerichtsbarkeit aufs Lockerste überspielen. Und – merket auf: Sie taten es auch!

Wie groß war meine nur schwer zu verhehlende Freude, als ich am 7. Juli 2005, zwei Tage vor meinem 50. Geburtstag, wegen Vorbereitung eines verdammt brutalen Raubmordes endlich mit 4,5 Jahren Gefängnisstrafe belohnt wurde. Meine Lebensplanung schien in die Erfolgsspur zu biegen, allerdings musste noch die Revision beim BGH und auch die Verfassungsbeschwerde vergeigt werden, was schließlich auch gelang. „Eigentlich hätten die es doch auch an Deinem Ehrentage machen können“, äußerten sich kleinmütig mäkelnd einige meiner Vertrauten. Man darf einfach nicht zu viel von Richtern erwarten. Schließlich fand mein 50. Geburtstag an einem Samstag statt.

Es war von besonderer Klasse, wie das Gericht einen bestens vom Zeugenschutz – ich bin gemeingefährlich -, dem Opferschutzprogramm und durch eine Polizei-Psychologin wohl präparierten Zeugen, der auch noch etliche Jahre zuvor im Hamburger Polizeidienst stand, zum ganz normalen Zeugen erklärte. Diese Chuzpe hat nicht jeder!

Beeindruckend auch, wie das Gericht dem Zeugen auf Staatskosten eine Opferschutz-Rechtsanwältin zur Seite stellte. Opferschutz-Rechtsanwälte sind eine Institution für Delikte bei sexueller Nötigung gegen Frauen oder bei Delikten mit Kindern in der Strafverfahrensordnung. Letztlich zahlte ich es ja, weil ich verurteilt wurde. Aber das habe ich wirklich gern getan, weil dieser Mann der Anklage auf keinen Fall umfallen durfte.

Beeindruckend auch, wie der Hauptzeuge entsprechend einem V-Mann von der Hamburger Staatsanwaltschaft geführt wurde, aber die dafür geltenden Richtlinien nicht angewendet wurden, weil dann wiederum bestimmte Vorgehensweisen gegen mich nicht möglich gewesen wären. Beeindruckend, wie das Gericht all diese Handlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamten durchgehen ließ.

Beeindruckend, wie das Gericht die Darlegungen meiner Ehefrau wegwischte, dass wir gemeinsam wirtschaften, gemeinsame Steuererklärungen durchführen, keine Gütertrennung besteht usw., was alles (leider) belegt ist, um gerichtlich festzustellen, dass wir getrennte Kassen führen, und darüber eine finanzielle Notlage als mein Tatmotiv zu konstruieren. Überzeugung ist Überzeugung. Und die richterliche Überzeugung ist sakrosankt. Danke!

Beeindruckend, wie das Gericht mich – wie schon zuvor die Staatsanwaltschaft - wie ein Mitglied der berufsverbrecherischen Extraklasse anging. Ich, als Einzeltäter, ein klassischer Kapitalverbrecher der Organisierten Kriminalität (OK), dem alle 19 Hauptverhandlungstage der Leiter der OK-Staatsanwaltschaft Hamburgs gegenübersaß, der auch die Leitung der vielen vielen Normenbrüche von StA und Polizei HH während der operativen Phase gegen mich bis zu meiner Festnahme „verantwortete“, abgeschirmt hinter schusssicherer Plastik im Sicherheitssitzungssaal des Landgericht Hamburg. Das hatte schon was. - Und genau dieser Leiter der OK-Staatsanwaltschaft wurde bald danach Hauptabteilungsleiter. Klar: Jede Firma weiß ihre verdienten Mitarbeiter angemessen zu entlohnen... Nur so konnte ich endlich als Schwerstverbrecher mit staatlichem Qualitätssiegel versehen werden:

Ich war durchschaut. Brutalst möglich, nur durch professionelle Arbeit unserer Strafverfolgungsorgane an der Verwirklichung meines verbrecherischen Tuns gehindert, weil unser Staat schützend und fürsorglich (Böswillige sprechen von "zu frühzeitig") eingriff, eben echt „präventiv“. Auch die Darstellung der StA HH, die von vielen Medien aufgenommen wurde, wonach ich in höchstem Luxus schwelgte (noch in der Anklageschrift nachzulesen) machte klar, dass ich (wie lange schon?) im berufsmäßigen Raubmord-Geschäft aktiv gewesen sein musste und mir – bevor ich dann endlich im Gefängnis landete – Vielweiberei, Jachten, Helicopter und sogar Opernbesuche leisten konnte. Erst im Laufe der Hauptverhandlung entwickelte der Richter die Großmut, diese Version nicht vollständig aufrecht zu erhalten. Er speckte ab.

Beeindruckend wie dieses Gericht wirklich sämtliche von meiner Verteidigung gestellten Hilfbeweisanträge und Beweisanträge zurückwies. Lauter Sternstunden der Justiz!

Beeindruckend wie das Gericht kurz vor Prozeßbeginn mich von zwei meiner drei Verteidigern befreite und meine Verteidigung auf einen Pflichtverteidiger reduzierte. Dieser wirklich gelungene innovative Überraschungs-Coup wurde dann bedauerlicherweise, wie kleinkariert, vom Hanseatischen Oberlandesgericht am Tag vor der Hauptverhandlung gegen mich als rechtswidrig beendet. Na ja. Nun musste ich das Hans. OLG anrufen, um meine gelebte schizophrene Situation weiterhin glaubwürdig aufrecht erhalten zu können.

Mein neu wieder zugelassener Anwalt fragte dem bemitleidenswerten Hauptzeugen der Anklage Löcher in den Bauch. Aber auch da parierte das Gericht – gelegentlich auf Anregung des Staatsanwaltes, manchmal sogar ganz alleine -, indem er bedrohliche Fragen nicht zuließ. Bei Interesse siehe: Revisionsbegründung oder Verfassungsbeschwerde Verfassungsbeschwerde.

All dies durfte und konnte meine Verurteilung nicht verhindern, denn letztlich hatten ja bis auf meine Rechtsanwälte alle Prozessbeteiligten einen klaren Verurteilungswillen. Gerade deshalb ist es ja auch perfekt, dass mir keine zweite Tatsacheninstanz zustand und dass die als Überprüfungsinstanzen vorgesehenen Gerichte die „Überprüfung“ auf rein formale „Richtigkeit“, ohne inhaltliche Prüfung der gegen mich erhobenen Vorwürfe erledigten (BGH, BVerfG + EGMR) . So war endlich mein Lebensziel erreicht: Ich kam in den Knast.

Bedauerlich finde ich bloß, dass der Vorsitzende Richter dieses Landgerichts mittlerweile pensioniert ist und bedaure noch heute, dass ich ihn in aller Unschuld, bei der ich ja vor allem mich selbst täuschte, wieder und wieder Ursache für exzessive Wutausbrüche lieferte. Ein unbefangener Gerichtsbeobachter hätte daher möglicherweise diesen Vorsitzenden Richter für befangen gehalten. Das hätte ich zutiefst bedauert.

Ich bedaure auch zutiefst, dass meine Verteidiger einen Ablehnungsantrag gegen diesen Vorsitzenden Richter stellen mussten. Diese Bedrohung gegen meine Verurteilung versetzt mich noch heute in Angst und Schrecken; sie misslang jedoch.

Dieser Vorsitzende Richter war zum Zeitpunkt meiner Verurteilung im Vorstand des Vereins Hamburgischer Richterinnen und Staatsanwältinnen. Dann wurde mein Vorsitzender Richter Vorsitzender der Mitglieder des Vereins Hamburgischer Richterinnen und Staatsanwältinnen. Nun hatte ich dessen Vorgänger, dem ehemaligen Präsidenten des Hamburger Landgerichtes mit einer selbstverständlich völlig grundlosen Anzeige wegen Geheimnisverrats belästigt. Zum Zeitpunkt meiner Verurteilung wiederum war exakt dieser ehemalige Landgerichtspräsident Hamburgs zum Ehrenvorsitzenden des Vereins Hamburgischer Richterinnen und Staatsanwältinnen aufgerückt. Hierzu siehe bei Interesse das Kapitel Makowa-Korth. Beide Herren stehen und standen mithin in einer gewissen Kontinuität. Hoffentlich wird „mein“ Richter jetzt Ehrenvorsitzender. Er hat es sich redlich verdient.

„Mein“ Richter steht gewissermaßen in Nachfolge des trotz diverser parlamentarischer Initiativen, journalistischer Recherchen etc. von fast allen beteiligten Staatsanwaltschaften Hamburgs von einem Ermittlungsverfahren frei gehaltenen ehemaligen Landgerichtspräsidenten.

Mein Vorsitzender Richter jedenfalls hat vollkommen unbeeinflusst von diesen Abläufen gearbeitet. Ich erlaube mir den Hinweis, dass auch das erfolgreiche Ablegen zweier juristischer Examina nicht zwingend die charakterliche Eignung für ein Richteramt ausweist; siehe nur eins von zahllosen (!) Beispielen: Den ehemaligen Hamburger Richter und Innensenator Ronald Barnabas Schill.

Dass in meinen Gefangenenakten steht, der „prominente Gefangene Wüppesahl“ sei ein Mustergefangener gewesen, stellt eine unerträgliche Despektierlichkeit gegenüber dem Vorsitzenden Richter dar, der, nachvollziehbar, meine gesamte politische Biographie beiseite schob. Damit war gerichtsamtlich geklärt, dass ich nie Nachteile aufgrund meiner politischen Tätigkeit erleiden brauchte. Und auch keines der 40 zuvor gegen mich gezimmerten Strafermittlungsverfahren hatte irgend etwas mit meinem politischen Engagement zu tun. Überlegungen, wonach ich gewissermaßen über das Straf- und Strafverfahrensrecht politisch kalt gestellt werden sollte, war der Boden entzogen. „Mein“ Vorsitzende Richter allein hatte den mir innewohnenden Abgrund an Verkommenheit erkannt, genauso wie er mein 50 Jahre lang an den Tag gelegten Verhalten sofort als raffiniertes Vorspiegeln von Anstand und Charakterfestigkeit durchschaut hatte.

Auch beim Bundesgerichtshof möchte ich mich ausdrücklich bedanken, insbesondere bei der Richterin, die als Vorsitzende des 5. Senats in Leipzig für die Bearbeitung meines Falles mit verantwortlich und zuständig war. Die Tatsache, dass sie es später zur Generalbundesanwältin gebracht hat, bestätigte ihre Kompetenz ebenso wie zuvor ihre richterliche Tätigkeit am Landgericht Hamburg. Aus der Zeit kannte sie die beiden oben beschriebenen Richterpersönlichkeiten, also „meinen“ schneidigen Richter wie auch den ehemaligen Landgerichtspräsidenten. Vielleicht habe ich sogar auch ihre Karriere positiv beeinflusst.

In ihrer Funktion beim BGH vermochte die amtierende Generalbundesanwältin erfreulicher Weise für die sichere Abweisung der mit 60 Seiten viel zu langen, völlig unbegründeten, von Leerformeln und platter Rhetorik nur so strotzenden Revisionsschrift Sorge tragen. Wir alle schulden unserem Rechtsstaat nicht nur Respekt, sondern auch Opferbereitschaft.

Bedauern muss ich aus heutiger Sicht, dass die Berliner Strafjustiz mir meinen ohnehin nur viereinhalbjährigen Haftgenuss auf drei Jahre verkürzte. Schade!

Die Berliner vermochten trotz der Vorarbeiten der Staatsanwaltschaft des Hamburger Landgerichts mein Doppelleben nicht zu enttarnen. Zur Entschuldigung der Berliner Strafjustiz sei folgendes bemerkt: Letztlich benötigten ja auch die Hamburger viele viele Anläufe bis sie meine Durchtriebenheit, mein vor allen anderen, auch meiner Familie und meiner Ehefrau, ja, sogar mir selbst (Stichwort: Schizophrenie) geheimgehaltenes Doppelleben, durchschauten und dann endlich wie ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz meine Verurteilung erfolgreich betrieben. (Wieder) Ein Triumph des Willens!

Die dreijährige Bewährung ist auch schon wieder beendet. Offensichtlich fiel ich in meine innerhalb der Schizophrenie vollkommen unehrlich gelebte Rolle eines Gutmenschen zurück. Eines Citoyen, der auch noch vorgibt, sich für Bürgerrechte einzusetzen.

Schon diese Farce, die Gutmenschenrolle in der Strafhaft weiterhin erfolgreich allen vorzugaukeln, stellte einen neuerlichen Rückfall in die andere Lebensrolle dar. Eigentlich hätte diese meine hinterlistige Gemeinheit eine strafverschärfende und strafverlängernde (vielleicht noch nachträgliche präventive?!) Reaktion auslösen müssen! Stattdessen wurde ich vorzeitig mit einer dreijährigen Bewährungszeit nach Hause geschickt. Nicht einmal Bewährungsauflagen wie Bewährungshelfer, Meldezyklen etc. wurden mir auferlegt, weil – so im Beschluss des LG Berlin – ich mir mein Leben schon alleine organisieren würde, ein Bewährungshelfer mir eh nicht gewachsen sei.

Aufgrund der Verkürzung meiner Haftdauer um rund ein Drittel lasse ich nun prüfen, ob die Berliner Strafjustiz mich nicht betrogen haben könnte. Denn dass in meinen Gefangenenakten immer wieder steht, der sogenannte prominente Gefangene Wüppesahl sei ein Mustergefangener gewesen stellt einen unerträglichen Affront gegenüber dem Landgericht Hamburg dar. Recht überlegt, hilft da nur noch die Psychiatrie. Notwendig sind vor allem viele Medikamente, denn sonst laberte ich den Ärzten möglicherweise ja auch noch den Kopf rund. Sie könnten glauben, ich wäre gesund.

Also: Wenn ich nicht bald in eine Klapse gelangte, glaubte ich ja noch, ich sei ein anständiger Mensch. Auch in dieser Hinsicht war die Polizei Hamburg mit ihren zwei an mir versuchten Psychiatrisierungen deutlich weiter. Bereits 1992, kurz nach meiner Entlassung aus dem Deutschen Bundestag und meinem Eintritt in die Fachhochschule Polizei, erkannte ein direkt dem Polizeidienst entwachsener Schmalspurprofessor, dass ich einen an der Waffel haben muss und eine Gefahr unter anderem für die Polizei darstellte! Aber auch seine Genialität scheiterte an meiner Fassade. Alle scheiterten daran. Auch nach meiner Verurteilung. Nur das Landgericht Hamburg scheiterte nicht.

Das zweite Psychiatrisierungsangebot wurde 2002 bis 2004 versucht. Neuerlich versagte ich und wehrte mich erfolgreich. Ich schäme mich. So viele Instanzen, fleißige, vor allem loyale und hoch kompetente Staatsdiener so lange so niederträchtig an der Nase herumgeführt zu haben. Klar, noch vor der Strafhaft wäre für Typen wie mich die Psychiatrie doch angemessen gewesen. Das klappt in anderen Ländern doch auch.

Aber der größte Dank gebührt natürlich dem oben bereits erwähnten EGMR, weil dieses hohe Gericht mit seinen Kammern und Senaten es schaffte, sich gar nicht erst von meinen Ausführungen ablenken zu lassen, sondern unsere substanzarmen Vorträge aus formalen Gründen sachlich ungeprüft wegzubügeln. Neun Zeilen in vier Jahren. Das ist schon beeindruckend. Selbst das Bundesverfassungsgericht brauchte noch zwei Seiten. Denn das EGMR hätte der Bundesrepublik glatt ins Stammbuch schreiben können, dass sie sich mir gegenüber menschenrechtswidrig verhalten hätte und auch noch die eine und andere mehr als fragwürdige Ermittlungsmethode verbieten können. Das Grauen. Ich hätte anschließend frei gesprochen werden können! Vor allem unsere Jungs und Mädels in den Staatsanwaltschaften und Polizeien müßten ohne diese abseitigen Methoden auf diverse Ermittlungserfolge verzichten müssen. So mancher Abgeurteilte hätte an ein Wiederaufnahmeverfahren gedacht. Danke auch dafür, dass dies vermieden werden konnte.

So ist alles besser: Ich bleibe rechtskräftig zum Schwerverbrecher etikettiert und verurteilt. Ich bin befreit: Nur noch der letzte Idiot fällt auf mein Geblähe und Gejammere herein, ich sei unschuldig. Deshalb jetzt auch dieser Klartext, gewissermaßen eine Lebensbeichte, damit auch der Letzte vor sicherer Urteilsgrundlage meine Persönlichkeit erfassen kann. Und alles ist rechtsstaatlich einwandfrei gelaufen.

Das hat der Gesetzgeber hervorragend geregelt, dass zwar jedes Feld-, Wald- und Wiesendelikt (jeder Hühnerdieb) durch Zuruf locker eine Berufungsinstanz als zweite Tatsachenverhandlung durchlaufen darf, jedes vor einer Großen Strafkammer eines Landgerichts verhandelte Kapitaldelikt jedoch nicht. Auch im Zivilverfahren ist in weitem Umfang eine zweite Tatsacheninstanz zulässig. - Schon wegen dieser Regelung hätte ich früher ein Kapitaldelikt begehen sollen, um eher in den Knast einzuziehen und dann hätte ich nicht – wie mehrfach geschehen – in der 2. Instanz einen Freispruch erzielen können.

Andererseits hätten sich die bearbeitenden Staatsanwälte ja auch ein bisschen mehr Mühe geben können. Sie können doch nicht ständig in solchem Maße Rücksicht auf uns Polizisten - ihre „Hilfsbeamten“ - nehmen. Irgendwo müssen Grenzen sein. Und bei mir hätte die Grenze bei dem erkennbaren Bösem, dem ich mich lebenslang verschrieben hatte, weit früher gezogen werden müssen.

Auch wird es schwierig, meinen Verwandten und Freunden die Wahrheit zu vermitteln, die immer noch glauben, ich hätte keinen brutalen Raubmord begehen wollen. Aber auch in diesem Bereich sollten Tatsachen überzeugen. Was gäbe es denn da? Ich denke oft in stillen Stunden darüber nach, welches Kapitalverbrechen ich wann hätte begehen sollen. Aber bekanntlich hat es keinen Zweck über nicht verschüttete Milch zu jammern.

Bei allem was Sie vorstehend lesen können, ist mir bewusst, dass es keine Alternative zu rechtsstaatlichen Verfahrensweisen gibt. Allerdings müssen diese Verfahren auch so ausgestaltet werden, dass die realen Handlungsabläufe und Tatsachen mindestens angemessen einfließen können. Eigentlich sollten die Tatsachen vor den verfahrensmäßigen Formen stehen. Das ist hier erkennbar nicht der Fall.

Das Fehlurteil des Landgericht Hamburg vom 7.7.2005 bleibt inhaltlich unüberprüft, es bleibt ein Fehlurteil trotz „Rechtskraft“. - „Rechtskräftig“ heißt bekanntlich weder „richtig“ noch „wahr“ geschweige denn gerecht, sondern nur: Mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbar. Es bewahrheitete sich wieder einmal der Satz: Vor Gericht hat man nur einen Anspruch auf eine Entscheidung (die auch ich erhalten habe), nicht aber auf eine richtige oder gerechte Entscheidung (die ich nicht bekommen habe).

Trotzdem bin ich ja noch (vergleichsweise) ein Glückspilz. Gerade in diesen Tagen wurde in den USA wieder ein Schwarzer, der aufgrund einer rechtskräftiger Verurteilung 30 Jahre unschuldig in Strafhaft gesessen hat, in die Freiheit entlassen. Ich saß zwar nur drei Jahre und bin von daher noch bombig davon gekommen. Allerdings habe ich kaum die Hoffnung, meine Unschuld über eine DNA-Analyse zu beweisen. Immerhin habe ich „nur“ drei Jahre einsitzen dürfen, also 27 Jahre weniger als der wegen erwiesener Unschuld einsitzende US-Amerikaner, der seine Unschuld und damit die Unrichtigkeit und Ungerechtigkeit seiner dreißigjährigen Strafhaft (mittels DNA) nachweisen konnte. Damit stellt sich die Frage, wer von uns beiden besser dran war.

Diesen beiden Urteilen in den USA und in Hamburg ist aber das Motto gemeinsam, dass der jetzt 51-jährige so formulierte: „Meine Eltern sind gestorben, ich habe das Gefühl, dass sich an dem System etwas ändern muss.“

Bekannt ist auch, dass der Bürger auf hoher See und auf Gericht in Gottes Hand ist. Ich war offensichtlich auf hoher See vor Gericht, aber bestimmt nicht in Gottes Hand. In wessen Hand dann?

Aber nun erst einmal: Weiterhin ein Frohes Neues Jahr 2011 und alles alles Gute, bei guten wie bei bösen Taten.“

Mit der Bitte um Kenntnisnahme

Thomas Wüppesahl