Politisches Leben

Wüppesahl war und ist in vielen Themenbereichen, nicht nur in der Anti-AKW-Bewegung aktiv.

Er war seit 1971 Mitglied in der Gewerkschaft der Polizei, ließ sich zum Vertrauensmann schulen und wählen und stach auch im Rahmen der Gewerkschaftsarbeit mit ausgefallenen Aktivitäten hervor. So brachte er zu einem Landesdelegiertentag Anfang der 80er Jahre einen Ausstiegsantrag zur friedlichen Nutzung der Kernenergie ein. Zu diesem Zeitpunkt gab es für fast alle Polizeibeamten ein klares Feindbild bzgl. der Anti-AKW-Bewegung. Oder er organisierte als GdP-Funktionär unter Einbeziehen der Bevölkerung vielfältige Aktivitäten, um die Verlegung eines örtlichen Kommissariats aus Hamburgs Osten in eine Zentraldienststelle, 10 Kilometer von der dazu gehörigen Polizeirevierwache entfernt, zu verhindern.

Er betätigte sichb beim Volkszählungsboykott, bei Bürger beobachten die Polizei in Hamburg, in der Friedensbewegung, bei der Anti-Faschismus-Arbeit und weiteren Initiativen und wurde trotzdem bspw. Zwei Mal von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zum studentischen Vertreter an der Fachhochschule Polizei gewählt.

Wüppesahl war Gründungsmitglied der Grünen, baute den grünen Landesverband Schleswig-Holstein mit auf und kandidierte 1980 erstmals in seinem Wahlkreis Herzogtum Lauenburg/Südkreis Stormarn bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag als Direktkandidat, nahm sich neuerlich unbezahlten Sonderurlaub und betrachtete diesen Wahlkampf als politische Weiterbildung. Dabei erzielte er für DIE GRüNEN das beste Ergebnis im Land.

1981 gründete er grüne Wählerinitiativen in der Stadt Geesthacht und zum Einzug in den Kreistag des Herzogtum Lauenburgs. Auf beiden Listen wurde er auf die Listenplätze 1 gewählt und zog für vier Jahre in die kommunalen Gremien (Ratsversammlung Geesthacht und dem Kreistag in Ratzeburg) ein.

Er baute die grüne Bildungsarbeit in Schleswig-Holstein auf, legte das erste Ausstiegsszenario für die drei Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein vor und wurde 1986 in das Präsidium des Landeshauptausschusses der Grünen Schleswig-Holstein gewählt.

Bereits in seiner kommunalpolitischen Zeit sorgte er für teilweise bundesweit wahrgenommene Aktivitäten: So konnte er die Geschäftsordnung der Ratsversammlung Geesthachts, die extra wegen seiner zeitintensiven Gremienarbeit so geändert worden war („ Lex Wüppesahl“), dass jeder Stadtvertreter nur noch zwei Anträge, von denen jeder nicht länger als auf einer DIN A4-Seite begründet werden sollte, und zwei Fragen pro Sitzung einbringen durfte, durch Anrufen des Verwaltungsgerichtes Schleswig für rechtswidrig erklären lassen. Selbstredend mit der Verknüpfung zu politischen Aktionen und wiederum nationaler Presse. Der politische Gegner tat sich einigermaßen schwer mit der Beachtung der rechtsstaatlichen Regeln.Dies stellte gewissermaßen der Vorläufer seines wenige Jahre später stattfindenden Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht BVerfG (2 BvE 1/88; BverfGE 80, 188) dar und definiert bis heute den Maßstab für die parlamentarische Mindestausstattung von Einzelabgeordneten aufkommunaler Ebene.

Oder es wurde ein Interview von ihm anläßlich der Sprengung dreier Hochspannungsmästen in der Nähe des AKW Krümmel für das ZDF Heute-Journal zum Anlass genommen, über DIE GRüNEN als gewaltnahe Partei herzuziehen. Zu der Zeit hatten die Grünen die Gewaltfreiheit noch als eine ihrer Säulen im Programm, unterstützten keine völkerrechtswidrigen Angriffskriege wie in den 90er Jahren im Kosovo, so daß aktive Polizeibeamte (und Soldaten) bei den Grünen noch Exoten waren.

Oder – er kritisierte massiv Kunstfehlerskandale und Verwaltungsdefizite bei dem örtlichen Geesthachter Johanniter-Krankenhaus. Die Vorwürfe reichten bis hin zum Operieren im alkoholisierten Zustand des damaligen Chefarztes der Gynäkologie. Daraus erwuchsen rund 25 Verfahren, alleine 5 Strafermittlungsverfahren mit drei öffentlichen Hauptverhandlungen. Er konnte alle 25 Verfahren für sich entscheiden. Siehe bei Interesse auch: „1. Die Begebenheit mit den Johannitern“.

Nach den überfällen von polizeilichen Spezialgruppen auf Demonstrantenkonvois, die am 7. Juni 1986 zu einer Demonstration gegen das AKW Brokdorf wollten, fand auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg eine weitere Demonstration gegen das polizeiliche Vorgehen statt. Diese Versammlung wurde von der Hamburger Polizei rechtswidrig eingekesselt und unter dem „ Hamburger Kessel“ bekannt. In diesem Zusammenhang begründete Wüppesahl gemeinsam mit einigen gleichgesinnten Berufskollegen im Juni 1986, zunächst als Hamburger Signal, allein auf Hamburg bezogen, diese weltweit einzige polizeikritische Organisation aus Praktikern, und im Januar 1987, nachdem Hans-Christian Ströbele eingeladen hatte, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten e.V. für das Bundesgebiet.

Am 25. Januar 1987 wurde Wüppesahl über die Landesliste der Grünen Schleswig-Holstein in den 11. Deutschen Bundestag gewählt. Er bekam einen Vollsitz im Innenausschuss und dem Gemeinsamen Ausschuss, dem sog. Notparlament, sowie einen stellvertretenden Ausschussplatz im Rechtsausschuss. Für den Innenausschuss wurde er zum Sprecher der Grünen gewählt.

Am 31. Mai 1987 trat er aus der Partei aus, weil ihm tags zuvor auf einer Kreismitgliederversammlung die Solidarität in den ausstehenden Strafprozessen in den Johanniter-Skandalen durch den Kreisverband entzogen worden war und ein grüner Kommunalabgeordneter ihm eine Gänseblume und einem auf die Blüte gemaltem Hakenkreuz mit den Worten: „Für Deine Sammlung“ übergeben hatte.

Erst in der dritten Sondersitzung der grünen Bundestagsfraktion wurde er im November 1987 aufgrund vielfachen Drängens aus Schleswig-Holstein – der Landesverband forderte das imperative Mandat – bei anerkannt hoher fachlicher Arbeit aus der Fraktion ausgeschlossen. Dadurch verlor er seine parlamentarischen Funktionsämter, weil die allein an die Mitgliedschaft in einer Bundestagsfraktion gekoppeltwaren.

Es folgte der erfolgreiche Kampf um die Recht eines eigenständigen Parlamentariers, auf den auf einer weiteren Seite noch eingegangen wird.

Kurz nach dem Mauerfall versuchte er mit der damaligen PDS die erste parlamentarische Vertretung der Partei im Deutschen Bundestag zu organisieren. Auch fanden Gespräche in Ost-Berlin mit Gregor Gysi, Andre Brie und Hans Modrow auf der einen sowie Petra Kelly, Gerd Bastian und ihm auf der anderen Seite statt. Eine Zusammenarbeit scheiterte, weil die PDS noch zu viele personelle, inhaltliche und organisatorische Rücksichtnahmen auf ihre alten Kader nehmen musste. Eine Kandidatur Wüppesahls auf der Landesliste der PDS in Mecklenburg-Vorpommern (Platz 17) erfolgte von beiden Seiten lustlos und nurmehr pro forma denn engagiert. Heute funktioniert dieser Ansatz als DIE LINKE in vielen bundesdeutschen Parlamenten. Es war schon immer schwierig, seiner Zeit voraus zu sein.

Er war noch bis zum Ende der 11. Wahlperiode im Dezember 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages und fiel auch weiterhin durch ungewöhnliche Aktivitäten auf, indem er beispielsweise 34 Änderungsanträge zur 1. Gesundheitsreform oder zum 1. Staatsvertrag zwischen der DDR und der BRD (Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion) über 500 änderungsanträge in 2. Lesung einbrachte. Was sich zunächst wegen der hohen Zahl der änderungsanträge nach einem Gag anhört (und zum Teil auch so kolportiert wurde), stellte sich als ernsthafte Arbeit heraus: später sind rund ein Drittel dieser änderungsanträge offizielle Regierungspolitik geworden.

Er wurde sowohl vor seiner berufspolitischen Zeit 1985 von den Kollegen an der FHöV/P zum studentischen Vertreter im Fachbereich Polizei als auch danach 1991 zum Studentenvertreter im Hochschulrat gewählt. Auch dort traten sofort ungewöhnliche Aktionen ein: So wurde die Neuwahl des Rektors der FHöV Hamburg in 1991 aufgrund u.a. seiner Einsprüche als rechtswidrig ausgewiesen. Die Wahl musste wiederholt werden. Ebenfalls ein einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik – hier: in der Hochschullandschaft.

In den folgenden Jahren agierte er vornehmlich im Hintergrund bis er sich aufgrund der internen Krise in der BAG Kritischer Polizisten 1998 in Erfurt zum Bundessprecher wählen ließ. Dieses Amt übt er bis heute aus.

In 2001 war Wüppesahl gezwungen einen Antrag auf Insolvenz für die Kritischen als Verein zu stellen, weil der Verein aufgrund verloren gegangener Zivilprozesse durch die Sprecher-Kollegin aus Berlin, Bianca Müller, zahlungsunfähig geworden war. Im August 2004 – kurz vor seiner Festnahme und der mit einem prominent besetzten wissenschaftlichen Beirat vorbereiteten Weiterentwicklung der BAG Kritischer Polizisten – wurde die BAG durch Beschluß des Amtsgericht Hamburg wieder für solvent erklärt (siehe auch UNBEQUEM Nr. 54/55, insbesondere die Seiten 4 bis 15), nachdem er im Dezember 2003 den Antrag dazu beim AG Hamburg als Insolvenzgericht gestellt hatte.

Auch wenn die politische Arbeit durch seine Haftzeit ruhen mußte, ist Wüppesahl nach wie vor Bundessprecher der BAG Kritischer Polizisten und arbeitet derzeit gemeinsam mit anderen an deren Wiederbelebung als aktiven Organisation im politischen Meinungsspektrum. – Klar ist, dass er durch die gesetzeswidrige Anwendung des Strafvollzuggesetzes in Hamburg noch heute in Hamburger Gefängnissen einsitzen würde, wenn sich „Hamburg“ nicht genötigt gesehen hätte, ihn gleichfalls rechtswidrig nach Berlin zu verschleppen, so dass er längst wieder auf freiem Fuß ist.– Hierzu siehe auch zwei Artikel vor dem Hintergrund wie der Berliner Strafvollzug arbeitete.

Zur Zeit arbeitet Wüppesahl an zwei Büchern, betreibt die Menschenrechtsbeschwerde gegen das Fehlurteil, für das er fast volle drei Jahre eingekerkert wurde, sowie separat dazu ein Wiederaufnahmeverfahren.