Der Charakter der jahrzehntelangen strafrechtlichen Verfolgung

Die öffentliche Hauptverhandlung, deren Ergebnis zu seiner Gefängnisstrafe geführt hatte, stellte für Wüppesahl bereits den neunten Strafprozess als öffentlich Angeklagten dar (siehe auf dieser Homepage auch „1. Die Begebenheiten mit den Johannitern“, „3. Der Charakter der strafrechtlichen Verfolgung über die letzten 30 Jahre“, “4. Die Begebenheit im Hamburger Freihafen“ oder „8. Beispielhafte Auflistung von Strafermittlungen in einem Dutzend Fälle“).

Alle anderen acht öffentlichen Hauptverhandlungen endeten mit Freisprüchen oder die Verurteilungen hatten keinen Bestand. Dabei sei der guten Ordnung halber eine nicht erfolgreich abgewendete Verurteilung aus 1994 wegen angeblichen Sockendiebstahls bei Karstadt in der Hamburger Mönckebergstraße erwähnt – trotz Antrags auf Wiederaufnahmeverfahren, Verfassungsbeschwerde und gleichfalls zahlreichen „Merkwürdigkeiten“. Abgesehen von der „Bedeutung“ einer solchen Verfehlung, hätte Wüppesahl sie tatsächlich begangen.

Bezeichnenderweise musste Wüppesahl seit Beginn seines politischen Engagements bis zu der Hauptverhandlung mit ihrem fatalen Ergebnis insgesamt 39 Strafermittlungsverfahren hinter sich bringen. Hier ist die Rede von einem Polizeibeamten, der seit 1978 Kriminalbeamter gewesen ist, der 39 Beschuldigungen erfuhr, von denen ihn neun auf die Anklagebank gebracht hatten. Es handelte sich um Strafermittlungsverfahren, die ausnahmslos seine Privatsphäre betrafen, in der Regel mit leicht erkennbarem politischen Hintergrund. Nicht eines dieser Ermittlungsverfahren ergab sich aus einem dienstlichen Zusammenhang. Über 15 dieser gegen Thomas Wüppesahl gerichteten Strafermittlungsverfahren wurden jeweils von Kolleginnen und Kollegen initiiert, einige sogar von Dienststellenleitern! – Wem bekannt ist, wie selten Polizeibeamte gegen Polizeibeamte Verfahren einleiten (Problematik des „Korpsgeist“), da es auch in der Binnenkultur der 20 bundesdeutschen Polizeien – und nicht nur in den Gefängnissen - ungeschriebene Regeln gibt, der reibt sich überaus verwundert die Augen. Tatsache ist, wer gegen Kollegen bei der Polizei ein Verfahren einleitet, hat danach unter seinesgleichen nichts mehr zu melden, geschweige denn zu lachen. Das geht so weit, dass Polizeibeamte mehr Angst vor den informellen Nachteilen durch Berufskollegen und der Polizeiorganisation haben als vor einem formalen Disziplinar- oder Strafermittlungsverfahren. Hierzu gibt es beeindruckende soziologische Forschungen (bspw.: www.kritische-polizisten.de, den Button „Unbequem-Archiv“, dort Unbequem 3 2001, Seite 10 bis 19 („Kontrolle der Polizei – Wer schützt uns vor denen, die das Gesetz schützen sollen“, von Prof Dr. Otto Backes) oder auch „Polizeigewalt als Ausnahme und Regel“ oder auch „Eine neue Polizeiverfassung“ von Prof. Dr. Lisken, dort Seite 15 bis 21.

Ausnahmen in diesen Erkenntnissen und Abläufen bestätigen nicht die Regel, sondern lösen Erklärungsbedarf aus und man muss kein Kriminologe sein, um da ins Grübeln zu kommen. Man benötigte lediglich einen Statistiker, den man das Datenmaterial aufbereiten lässt, und dieser würde dann vermelden: Relevanz! Wenn schon eine Strafanzeige eines Polizisten gegen einen anderen so exotisch ist, wie ein Pinguin am Nordpol, was sind dann mehr als 15 Strafanzeigen von Polizeibeamten gegeneinen bestimmten Berufskollegen. – Allein während Wüppesahls Haft sind drei Strafermittlungsverfahren gegen ihn hinzugekommen, zwei von Polizeibeamten, eines von einer Staatsanwältin in Kooperation mit einem Justizvollzugsbeamten. Auch die sind zwar längst eingestellt, aber ein Ende ist nicht abzusehen.

Das ist das was als Mobbing durch Straf- und Strafverfahrensrecht bezeichnet wird. Aber klar: alles Einbildung, Paranoia und Schutzbehauptungen. Weil die Faktenlage der (alleine) strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen so eindeutig ist, handelt es sich gerade um einen von jedem Gericht normalerweise zu verfolgenden Argumentationspfad: „Handelt es sich um eine neuerliche Klamotte gegen Wüppesahl oder ist es dieses Mal ernst?“. – Hinzu kommen die vorhandenen belegten skrupellosen und zum Teil mit hoher Energie betriebenen Psychiatrisierungsversuche gegen Wüppesahl; hierzu siehe auf dieser Homepage: „9. Beispielhaft: zwei Psychiatrisierungsversuche“.

Der hier formulierte Anspruch gegen ein Strafgericht gilt um so mehr, wenn es sich wie bei der Verurteilung wg. eines angeblich vorbereiteten brutalen Raubmordes um ein Kapitaldelikt handelt. Üblicherweise gehen die Großen Strafkammern gerade dann intensiv(st) in die Biographie des Angeklagten. Nicht so das Landgericht Hamburg, mit Herrn Schaberg und seiner Crew. Sie taten vielmehr so, wie wenn es diese Chronologie und im besonderen die politische Biographie Wüppesahls überhaupt nicht gäbe. Näheres siehe auf dieser Homepage unter Das „aktuelle“ Fehlurteil vom 7. Juli 2005“ – und später in dem Buch.